Europa und die Romidee
Nachdem das Römische Reich untergegangen war, hatte die Sprache, die Denkweise, die Kultur der Römer immer noch starken Einfluss auf die gesamte Geschichte Europas.
Die Bildungsreform Karl des Großen (8. Jahrhundert)
Karl der Große (742-814) gilt als „Vater Europas“, weil er es schaffte aus den vielen europäischen Völkern ein einheitliches christlich geprägtes Reich aufzubauen. Er bewirkte auch eine Bildungsreform, nachdem im sechsten bis achten Jahrhundert die Lateinkenntnisse stark nachgelassen hatten. Der Leiter der Reform, der Engländer Alkuin, machte Latein neben der Muttersprache als Zweitsprache verpflichtend. Dies wurde bis in das 18. Jahrhundert fortgesetzt.
Die Kenntnisse verbesserten sich anschließend sehr schnell, wodurch Dichter wie Einhard (770-850), ein Freund und Biograph Karls des Großen (Vita Karoli Magni), mit Poeten der Antike mithalten konnten. Die Themen waren christlich geprägt.
Lateinisches Mittelalter (9.-13. Jahrhundert)
Nach Karl dem Großen spaltete sich das Latein in das sogenannte Gelehrtenlatein und in ein „verwildertes“, stark vom klassischen Latein abweichendes, Latein, das oft als „Mönchs- oder Küchenlatein“ bezeichnet wurde.
Aus dem Mittelalter stammen aber auch großartige lateinische Dichtungen, wie die „Carmina Burana“ oder die „legenda aurea“.
Die Päpste der römisch-katholischen Kirche führten die Romidee weiter. Sie wurden wie die Kaiser als Oberhäupter der Welt gesehen und regierten aus Rom. Das Kirchenoberhaupt trägt den Titel „pontifex maximus“, kleidete sich Purpur und lebte in großem Prunk. Die Architektur der Kirchen und Dome sind an die Antike angelehnt, wie die Kuppel des Petersdoms an die Kuppel des Pantheons.
Renaissance und Humanismus (14.-15. Jahrhundert)
Renaissance
In der Renaissance (Wiedergeburt) entdeckte man im 14. Jahrhundert die vergessenen klassischen Werke der Antike wieder. Dadurch empfand man das Latein der damaligen Zeit als barbarisch und man besann sich wieder auf die Sprachnorm der römischen Klassik.
So war Francesco Petrarca ein Anhänger des Schreibstils von Cicero und sorgte dafür, dass dies der allgemein gültige wurde. Die Gebildeten glaubten, dass das Lesen der Schriften der Römer nicht nur bilde, sondern ein Zurück zur Antike ermögliche.
Humanismus
Das Schlagwort der Humanisten war „Ad fontas“ (Zurück zu den Quellen!). Sie beschäftigten sich mit den „studia humanitatis“, d.h. den Werken der Alten. Die Erfindung des Buchdrucks, viele Reisen, starker Briefwechsel und Bibliotheksgründungen sorgten für eine rasche Verbreitung der neuen Ideen.
Herausragende Humanisten waren der Niederländer Erasmus von Rotterdam, die Deutschen Conrad Celtis und Ulrich von Hutten, der Engländer Thomas Morus. Besonders ist, dass in dieser Epoche mit dem Rückgriff auf die Antike Neues hervorgebracht wurde. Es war eine Zeit der Erfindungen (um 1450 der Buchdruck), der Entdeckung (1492 Amerika) und gesellschaftlicher Umbrüche (Reformation 1517).
Das Fortleben des Lateinischen heutzutage
Ab dem 16. Jahrhundert wurden die Volkssprachen immer wichtiger. Latein aber blieb immer eine Sprache der Kirche und politischer Verhandlungen. Bis zum 18. Jahrhundert wurden Forschungsergebnisse in den Wissenschaften auf Latein diskutiert und veröffentlicht. An Universitäten wurde die Sprache gesprochen. Heutzutage wird Latein als Schulfach unterrichtet, wird in Predigten und Enzykliken verwendet und ist die Grundlage wissenschaftlicher Fachsprachen.