Albrecht von Haller (1708–1777)
Gedanken bei einer Begebenheit (1734)
Vergnüge dich, mein Sinn, und laß dein Schicksal walten
Es weiß, worauf du warten sollst:
Das wahre Glück hat doch verschiedene Gestalten
Und kleidet sich nicht nur in Gold.
Dein Geist würkt ja noch frei in ungekränkten Gliedern,
Du hast noch Haus und Vaterland:
Worüber klagst du denn? Nur Stolz schämt sich im Niedern
Und Übermut im Mittelstand
Was hülfe dich zuletzt der Umgang jener Weisen,
Die unerblaßt zum Tode gehn:
Sollst du Beständigkeit in fremdem Beispiel preisen,
In deinem dir entgegen stehn?
Nein, bettle, wer da will, des Glückes eitle Gaben,
Im Wunsche groß, klein im Genuß;
Von mir soll das Geschick nur diese Bitte haben:
Gleich fern von Not und Überfluß